Hospitalisation gegen den Willen der Eltern und Fürsorgerische Unterbringung

15.11.24 - aktualisiert

17.03.20 - Link auf FU (fürsorgerische Unterbringung) eingefügt

Inhaltsverzeichnis

Ablauf für die Hospitalisation eines Kindes im Kinderspital gegen den Willen der Eltern

  1. Faktenlage dokumentieren (Fotos, Befunde, Aussagen usw.)
  2. In Notfällen kann (lebensbedrohliche Situation) ein Kind immer hospitalisiert und behandelt werden, auch gegen den Willen der Eltern.
  3. In allen anderen Fällen muss, bevor das Kind hospitalisiert werden kann, Kontakt mit der zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde aufgenommen werden. Die Kindes- und Erwachsenschutzbehörden sind jeweils von Montag bis Freitag erreichbar. Es besteht kein Pikettdienst.
  4. Die Behörden werden erst aufgrund der schriftlichen Unterlagen entscheiden, ob den Erziehungsberechtigten vorsorglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht (die "Obhut") entzogen werden kann. Deshalb müssen die genannten Punkte (Faktenlage, Einschätzung, Notwendigkeit der Hospitalisation, Gefährdung des Kindes) schriftlich festgehalten werden.

Wichtig:

  • In der Meldung an die Behörde müssen ein Antrag auf einen vorsorglichen (superprovisorischen) Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts ("Obhutsentzug") sowie ein Antrag auf Entzug der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde (Rekurs) formuliert sein. Dies muss dann auch in der behördlichen Verfügung festgehalten sein!
  • Muss das Kind aus medizinischer Sicht auch – entgegen dem Willen der Eltern - behandelt werden, muss im Antrag auf einen superprovisorischen Enzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts auch ein Antrag auf eine Behandlung des Kindes gegen den Willen der Eltern gestellt werden. Nur in Notfällen, darf ein so hospitalisiertes Kind gegen den Willen der Eltern behandelt werden!

Fürsorgerische Unterbringung

  • Hier findet sich der Link zum Dokument, wenn eine FU (Fürsorgerische Unterbringung) in Absprache mit dem K+L-Dienst oder dem Pikett des KJPD nötig wird --> FU (fürsorgerische Unterbringung)

Rechtliches

Die juristische Lehre ist sich uneinig, über welche spezifische Norm Kinder und Jugendliche im Notfall ohne elterliche Zustimmung hospitalisiert werden können. Im Ergebnis besteht jedoch Konsens: Eine solche Hospitalisation ist in Ausnahmefällen zulässig, wenn sie dem unmittelbaren Schutz des Kindes dient.

Für die interne Praxis wird empfohlen, Art. 314 ZGB in Verbindung mit Art. 429 ZGB als Rechtsgrundlage zu nennen.

Art. 314 ZGB – Kindesschutz

Art. 314 ZGB ordnet das Vorgehen im Kindesschutz. Die zentrale Aussage: Wenn das Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die notwendige Hilfe sicherzustellen, können Kindesschutzmassnahmen ergriffen werden.

Art. 429 ZGB – Fürsorgerische Unterbringung (FU)

Art. 429 ZGB regelt die Voraussetzungen der fürsorgerischen Unterbringung im Erwachsenenschutz. Er erlaubt eine sofortige, kurzfristige Hospitalisation, wenn eine Person sich selbst oder andere gefährdet und Behandlung oder Betreuung notwendig sind. Auf Minderjährige ist er nur über die Verknüpfung mit Art. 314 ZGB anwendbar.

Zusammenspiel beider Normen

Art. 314 ZGB: Begründet die Zuständigkeit und Pflicht zum kindesschutzrechtlichen Eingreifen.

Art. 429 ZGB: Liefert die konkrete Rechtsgrundlage für eine sofortige Unterbringung ohne Zustimmung der Eltern.

Voraussetzungen für eine Notfallhospitalisation gegen den Willen der Eltern

1. Akute Kindeswohlgefährdung.

2. Notfallsituation, die sofortiges Handeln erfordert.

3. Fehlende oder verweigerte elterliche Zustimmung.

4. Kein milderes Mittel verfügbar.

5. Schutzinteresse des Kindes überwiegt die elterliche Entscheidungsbefugnis.

Vorgehen im Spital

  • Medizinische Einschätzung

Dokumentation der akuten Gefährdungslage und Notwendigkeit der Hospitalisation.

 

  • Rechtliche Begründung im Dossier

Formulierungsvorschlag:

„Aufnahme zur Gefahrenabwehr gemäss Art. 314 ZGB i.V.m. Art. 429 ZGB. Akute Kindeswohlgefährdung, fehlende Zustimmung der Eltern, sofortige stationäre Behandlung erforderlich und kein milderes Mittel verfügbar.“

 

Information der Eltern

Mitteilung über Massnahme, Rechtsgrundlage, Beschwerderecht.

Meldung an die KESB

Unverzügliche Meldung aufgrund von Art. 314 ZGB.

Ärztliche Verantwortung

Bestätigung durch Ärztin/Arzt mit FU-Kompetenz und laufende Reevaluation.

Dauer und Überprüfung

Zeitlich strikt begrenzt; Reevaluation spätestens alle 24 Stunden; KESB entscheidet über weitere Massnahmen.

Dokumentationspflichten

Lückenlose Darstellung der Entscheidungsgrundlage, Gefahrensituation, elterliche Haltung, Meldung an die KESB.

Zusammenfassung

Eine Notfallhospitalisation gegen den Willen der Eltern ist zulässig, wenn eine akute Gefährdung besteht und die Massnahme zum Schutz des Kindes unvermeidlich ist. Rechtsgrundlage: Art. 314 ZGB i.V.m. Art. 429 ZGB.