Transition - Konzept

13.11.25 - vollständig überarbeitet

Inhaltsverzeichnis

Autorinnen und Autoren: Aline Christen, Prof. Dr. med. Nicolas Regamey

Vernehmlassung durch: Prof. Dr. med. Johannes Roth, Birgit Wernz, Prof. Dr. med. Nicole Ritz, Prof. Dr. med. Martin Stocker, Prof. Dr. med. Markus Lehner
 

Version: 11/2025

1 Zielsetzung

Das vorliegende Konzept regelt und strukturiert den Transitionsprozess, welcher im Kinderspital Zentralschweiz (KidZ) begonnen und in der jeweiligen erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung fortgesetzt wird. Das Ziel dieses Transitionsprozesses ist es, die Gesundheit junger Menschen zu bewahren oder sogar zu verbessern. Gleichzeitig soll die Selbstständigkeit dieser Personen gestärkt und deren Lebensqualität möglichst hochgehalten werden (AWMF, 2021).

Verschiedene medizinische Fachrichtungen haben ein spezifisches Transitionsprogramm. Viele Herausforderungen für Jugendliche mit chronischen Erkrankungen sind jedoch ähnlich (Nagra, McGinnity, Davis, & Salmon, 2015). Daher soll das vorliegende Konzept als Basis für einen standardisierten Vorgang dienen.

2 Hintergrund

Die Transition umfasst den Prozess vom Übergang zwischen einer kinder- zu einer erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung von Jugendlichen mit einem chronischen und/oder einem komplexen Gesundheitszustand. Dieser Prozess beginnt vor dem eigentlichen Transfer in die Erwachsenenmedizin und hält auch nach diesem Übertritt an (PCMCH, 2025). Der Transfer stellt ein einmaliges Ereignis im Verlauf des Übergangsprozesses dar, bei dem die Verantwortung für die Versorgungsleistung offiziell von pädiatrischen auf einen erwachsenenmedizinischen Leistungserbringen übergeht (Toulany, Gorter, & Harrison, 2022).

Im Leben jedes Teenagers verändert sich viel: Entwicklung der Autonomie mit zunehmender Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Übernahme von Verantwortung mit Rechten und Pflichten; Abschluss der Schule und Einstieg ins Berufsleben, Entwicklung des eigenen Köperbildes. Selbstfindung, Sexualität und Zukunftsplanung sind weitere Stichworte, die diesen Lebensabschnitt kennzeichnen. Der Übergang in die Erwachsenenmedizin erschwert die Kontinuität der Betreuung von Jugendlichen, welche sich aufgrund ihrer Entwicklung ohnehin in einer vulnerablen Phase befinden. Diese Herausforderungen können zu einer verminderten Adhärenz und dadurch zu negativen gesundheitsbezogenen Folgen führen (Toulany et al., 2022).

Während der Pubertät können Jugendliche zunehmend Risiken für Folgeerkrankungen oder andere gesundheitliche Gefahren erkennen, was zu Unsicherheiten und Ängsten führen kann. Deshalb ist es wichtig, diese Themen frühzeitig in die medizinische Betreuung einzubeziehen, sowohl im Gespräch mit den Jugendlichen als auch mit deren Eltern.

Mit wachsender Reife sollen Jugendliche schrittweise zur zentralen Ansprechperson für das medizinische Team werden. Um persönliche und sensible Themen offen ansprechen zu können, ist es sinnvoll, dass die Jugendlichen zumindest zeitweise ohne die Eltern mit dem medizinischen Team sprechen. So kann ein vertrauensvolles Gespräch auf Augenhöhe entstehen und die Eigenverantwortung der Jugendlichen gestärkt werden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Eltern ab diesem Zeitpunkt nicht mehr einbezogen werden. Sie sind weiterhin wichtige Bezugspersonen, sowohl für ihr Kind als auch für das Behandlungsteam, insbesondere bei größeren Entscheidungen. Gleichzeitig sollten sie lernen, Verantwortung schrittweise abzugeben und mehr die Rolle eines beratenden Begleiters einzunehmen. Das medizinische Team kann diesen Übergang unterstützen, indem es passende Informations- und Schulungsangebote für Jugendliche bereitstellt und die Eltern gezielt berät (AWMF, 2021).

Eine geplante und strukturierte Transition adressiert diese Problematik und trägt zur Verbesserung der Adhärenz, der Lebensqualität, der Selbstfürsorgekompetenz sowie der Zufriedenheit der Jugendlichen mit ihrer medizinischen Versorgung bei (Schmidt, Ilango, McManus, Rogers, & White, 2020).

Idealerweise findet der Transfer in einer stabilen Krankheitsphase sowie zu einem günstigen Zeitpunkt in Bezug auf die Ausbildung und im ambulanten Bereich statt (z.B. nach Schul- oder Lehrabschluss).

3 Betroffene Patientinnen und Patienten

Im KidZ werden Patientinnen und Patienten in unterschiedlichen medizinischen Fachgebieten mit sehr diversen Gesundheitszuständen betreut. Das Kapitel 6 stellt eine umfassende Checkliste mit verschiedenen Werkzeugen zur Verfügung, die je nach Situation an die Jugendlichen angepasst werden können. Dabei sind jeweils Alter, kognitiver Entwicklungsstand, somatische Entwicklung und Urteilsfähigkeit der Jugendlichen zu berücksichtigen

Die folgende Aufzählung gibt einen Überblick, in welchen Situationen ein ausführlicher Transitionsprozess durchgeführt wird.

  • Regelmässige Inanspruchnahme / Notwendigkeit einer medizinischen Beratung
  • Regelmässige und oder komplexe Medikation / Therapie
  • Mehrere Fachdisziplinen involviert
  • Eingeschränkte familiäre Unterstützung der jungen Person
  • Psychische Einschränkungen (Moreno-Galdó et al., 2023; PCMCH, 2025)

 

4 Verantwortlichkeit der Leistungserbringenden

Im interdisziplinären Kontext wird fallabhängig oder sprechstundenübergreifend festgelegt, welche Leistungserbringenden verschiedene Aufgaben im Transitionsprozess übernehmen.

  • Wer trägt die Hauptverantwortung über den Transitionsprozess?
  • Wer ist Ansprechperson für die Patientin oder den Patienten und seine Familie bezüglich der Transition?
  • Wer führt die Checklisten?
  • Wer führt die Vorbereitungsgespräche für die Transition?
  • Wer plant und führt die Transfersprechstunde durch?
  • Wer ist Ansprechperson für das interdisziplinäre Team (inkl. Leistungserbringende der erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung)
  • Wer ist Ansprechperson im Erwachsenenteam?

5 Weiterbetreuung in der erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung

Der Transitionsprozess endet nicht mit dem Wechsel in die Erwachsenenmedizin. In der Phase nach dem Transfer ist es entscheidend, dass das Team der erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung sicherstellt, dass sich die jungen Erwachsenen an die neuen Behandlungsstrukturen gewöhnen und ihre Therapie eigenverantwortlich fortsetzen. Mögliche Hindernisse sollten frühzeitig erkannt und gezielt angegangen werden, um Versorgungslücken zu vermeiden. Für Notfälle muss jederzeit ein klarer Ansprechpartner verfügbar sein. Die Rolle des pädiatrischen Teams nach dem Transfer variiert je nach individuellem Bedarf.

6 Checkliste Transitionsprozess

Die folgende Checkliste enthält alle wesentlichen Schritte des Transitionsprozesses und bietet zudem eine standardisierte Dokumentationsvorlage.  Die vorgegebenen Punkte und Altersangaben können als Grundlage genutzt werden, wobei auf die Individualität der Jugendlichen eingegangen werden muss (Toulany et al., 2022). Die vorgegebenen Schritte werden der jeweiligen kognitiven Entwicklung der Patientin oder des Patienten angepasst (NICE, 2016). Alle aufgeführten Broschüren und Fragebogen können unter https://www.readysteadygo.net/rsg.html ausgedruckt werden (TIER, 2025).

7 Herausforderungen und Lösungsansätze

• Kognitiv eingeschränkte Patienten: Auch Jugendliche mit Lernschwierigkeiten sollten – soweit möglich – in den Transitionsprozess eingebunden werden. Gleichzeitig müssen ihre Betreuungspersonen unterstützt werden. Auf https://www.readysteadygo.net/rsg.html sind die Transitionsunterlagen zudem in einfacher Sprache verfügbar.

• Zusätzliche Belastung für die Jugendlichen: Die Transition stellt eine weitere Herausforderung für die Jugendlichen dar, zusätzlich zu den ohnehin schwierigen Veränderungen in der Adoleszenz. Mit einem geplanten und strukturierten Transitionsprozess können die Jugendlichen jedoch in dieser Situation begleitet werden.

• Hoher Zeitaufwand für die Fachpersonen: Initial kann die Einführung des Transitionsprozesses zu einem Mehraufwand führen. Dieser Mehraufwand kann jedoch mit einem erfolgreichen Transitionsprozess begründet werden, welcher zu einer Senkung der Morbidität und Mortalität führt. Oftmals können die verschiedenen Transitionsschritte im Verlauf in den herkömmlichen Arbeitsalltag integriert werden (Nagra et al., 2015).

• Fehlende Mitarbeit der Jugendlichen: Ein Kennzeichen der Pubertät und Adoleszenz ist das vermehrte Risikoverhalten und Ausloten von Grenzen. Bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Erkrankung schliesst dies auch vielfältige Formen der Non-Adhärenz bezüglich ihrer Krankheit ein. Die Krankheitssituation hat zudem oft einen geringen Stellenwert im Alltag der Jugendlichen. Es ist immer möglich, die Fragebögen mündlich mit dem Jugendlichen durchzugehen und diesen allenfalls in mehreren Einheiten zu besprechen. Durch diese Massnahme können die verschiedenen Bereiche besser auf die individuelle Situation der Jugendlichen angepasst werden.

• Herausfordernde Fragen für das Behandlungsteam: Durch den Transitionsprozess mit den Fragebögen sehen sich Fachpersonen allenfalls mit ungewohnten Fragen konfrontiert. Es lohnt sich, sich vorgängig mit den Fragebogen und den möglichen Rückfragen vertraut zu machen. Zudem ist es möglich, weitere Fachpersonen aus dem interdisziplinären Team für die Beantwortung der Fragen hinzuzuziehen.

Literaturangaben