Ifosfamid-induzierte Encephalopathie

Inhaltsverzeichnis

Autor: S. Schätzle, rev. Dr. F. Schilling
Version: 11/12, rev. 11/2018

Ifosfamid-Neurotoxizität

Vorkommen:

Schwere, behandlungsbedürftige Neurotoxizität durch Ifosfamid ist selten und tritt wenige Stunden bis fünf Tage nach Ifosfamid-Therapie auf.

Klinik:

Schwere Ifosfamid-induzierte Neurotoxizität zeigt sich durch Somnolenz, zeitliche und/oder räumliche Desorientiertheit, Halluzination, Echolalie, Hartnäckigkeit, Koma bzw. Anfälle, bei denen das Bewusstsein verändert ist, bzw. die verlängert, wiederholt und schwer kontrollierbar sind. Die Symptome beginnen meist schleichend und nehmen im Verlauf langsam zu. Eine Behandlung mit Methylenblau (siehe unten) sollte für alle Patienten mit neurokortikaler Toxizität ab Grad 2 in Betracht gezogen werden und ist für Patienten mit Toxizität Grad 3 und 4 absolut indiziert. Viele Symptome sind meist nach 1-7 Tage spontan reversibel

Prädisposition:

Eingeschränkte Nierenfunktion, niedrige Serumalbumin-Konzentration, niedriger Karnofsky-Index, weibliches Geschlecht, Alkoholabusus

Pathogenese:

Die genaue Pathophysiologie der Ifosfamid-Encephalopathie ist bisher nicht geklärt. Es wird postuliert, dass die Metabolite Chloracetaldehyd und Chlorethylamin ursächlich beteiligt sind.

Methylenblau (Methylthioniniumchlorid)

Wirkungsmechanismen:

Methylenblau hemmt das Enzym (Mono-)Aminooxidase, das die Bindung des neurotoxischen Chloracetaldehyds in den Lebermitochondrien und im extrahepatischen Gewebe katalysiert. Zusätzlich scheint Methylenblau in der Lage zu sein, die fehlenden Elektronentransferproteine zu ersetzen und die pathobiochemische Wirkung der genannten toxischen Stoffwechselprodukte aufzuheben.

Pharmakologie:

unveränderte renale Ausscheidung nach ca. 2 Stunden (Urinverfärbung!)

Kontraindikation:

  • Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel
  • Bestehende Hämolyse/hämolytische Anämie
  • Schwangerschaft

Dosierung (Off-label-Use!):

  • 1 mg/kg/Dosis (max. 50 mg /ED) alle 4-8 Stunden als Kurzinfusion ad 50 ml Glucose 5% je nach Schweregrad der neurologischen Symptomatik.
  • Die Symptome verschwinden im Allgemeinen schnell und 2-3 Methylenblau-Infusionen genügen in der Regel.
  • In nachfolgenden Ifosfamid-Kursen kann eine prophylaktische Behandlung mit Methylenblau in Betracht gezogen werden 1. Dosis 24 Stunden vor der Ifosfamid-Gabe und danach bis zum Ende der Ifosfamid-Hydrierung alle 8 Stunden.

Nebenwirkungen:

  • Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Schwindel, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Schwitzen,
  • Dyspnoe, arterielle Hypotension.
  • Ungenügende Wirkung und Hämolyse vor allem bei G6PD-Mangel.
  • Grosse Mengen Methylenblau können eine Methämoglobinämie erzeugen.
  • Urin‐, Stuhl‐ und Hautverfärbung.
  • Verfälschung der Pulsoxymetrie: O2-Sättigung falsch hoch bei hoher Methylengrossen mengen.

Literatur

  • Ajithkumar T et al. Ifosfamide encephalopathy, Clin Oncol (R Coll Radiol). 2007 Mar;19(2):108-14.
  • Kupfer A, Aeschlimann C, Wermuth B, et al: Prophylaxis and reversal of ifosfamide encephalopathy with methylene-blue. Lancet 343:763-4, 1994
  • CWS-guidance for risk adapted treatment of soft tissue sarcoma and soft tissue tumours in children, adolescents, and young adults. Version 1.6.1. from 24.05.2014.


Cave

Methylthioniniumchlorid Proveblue® parenteral (syn. Methylenblau) ist in der Schweiz nicht für die Indikation als Antidot zugelassen und wird deshalb Off-label eingesetzt. Dies muss den Eltern bzw. Patienten möglichst vor der ersten Gabe mitgeteilt und erklärt werden. Die Aufklärung sollte dokumentiert werden.