Hyperbilirubinämie: Austauschtransfusion

15.07.22 - Neugeborene mit Hyperbilirubinämie, die eine Autauschtransfusion nötig macht, sollen entwicklungsneurologisch nachkontrolliert werden

Inhaltsverzeichnis

Autor: Dr. med. Martin Stocker
Version: 08/03, rev. 10/2018, akt. 07/2022

 

Grundlagen

Mittels Austauschtransfusion werden Antikörper (Ak)-beladene Erythrozyten, freie Ak und Bilirubin entfernt und durch Erythrozyten ohne entsprechendes Antigen ersetzt. Nach der Entfernung von Bilirubin findet ein rascher Ausgleich durch einen Einstrom von extravaskulärem Bilirubin statt, welches sich erneut an Albumin bindet. 1 Stunde nach Beendigung der Austauschtransfusion ist der Bilirubinwert wieder auf ca 60% des Ausgangswertes angestiegen (1).

Zur Betreuung von Neugeborenen mit Hyperbilirubinämie siehe Hyperbilirubinämie beim Neugeborenen. Mittels Phototherapie und Immunglobulingaben konnte die Austauschtransfusionsrate deutlich gesenkt werden (2,3). Umsomehr besteht bei seltener Durchführung eine erhöhte Gefahr von potentiell schweren Komplikationen (4).

 

Wirkmechanismen

  • Reduktion einer Hämolyse durch Entfernung der Ak und Ak-beladenen Erythrozyten
  • Verhindern eines massiven Bilirubinanstieges in den toxischen Bereich durch Reduktion der Hämolyse
  • Senkung eines massiv erhöhten Bilirubins im toxischen Bereich durch Entfernung von Bilirubin
  • Anämiekorrektur

 

Indikationen

Die Indikation zur Austauschtransfusion muss individuell gestellt werden, wobei die Risiken der Hyperbilirubinämie/Anämie gegen die potentiellen Komplikationen einer Austauschtransfusion abgewogen werden müssen. Bewiesen ist, dass das Risiko eines Kernikterus im Rahmen einer Rhesusinkompatibilität deutlich erhöht ist. Bei einer Hämolyse z.B. auf Grund einer A0-Inkompatibilität oder eines G6PD-Mangels wird ebenfalls ein erhöhtes Risiko einer Bilirubinenzephalopathie vermutet. Hingegen existieren viele Berichte über Kinder mit unauffälligem neurologischem Outcome trotz hohen Bilirubinwerten bei fehlenden Hämolysezeichen. Aus diesen Gründen ist die Indikation zur Austauschtransfusion bei Kindern mit Hämolyse im Vergleich zu Kindern mit einer Hyperbilirubinämie ohne Hämolysezeichen grosszügiger zu stellen. Als weitere Risikofaktoren eines erleichterten cerebralen Bilirubinübertritts gelten GA < 37 SSW, GG < 2500g, Sepsis und Asphyxie (5-8).

 

Ablauf einer Austauschtransfusion (siehe Pflegemerkblatt Blutaustauschtransfusion)

Laborkontrollen

  • Vor Beginn: Hb/Hk, Bilirubin tot, BG, Coombs, Verträglichkeit, Guthrie, BB, Tc, CRP, BGA, E’lyte, BZ
  • Mitte Austausch: E’lyte, BZ
  • Ende Austausch: E’lyte, BZ, BGA
  • Nach 3-4 Std: BZ, BGA, Bilirubin total
  • Nach 12-24 Std: Bilirubin total, BB, Tc, CRP

Blut

  • Bestellung von
  • Austauschvolumen = 2x kindliches Blutvolumen, damit werden 85-90% des kindlichen Blutes ausgetauscht.
    • bei Termingeborenen 2x80ml/kg = 160 ml/kg,  
    • bei Frühgeborenen 2x90-100ml/kg = 180-200ml/kg
  • Zusatz von Albumin (50 ml Albumin 20% auf 1 Ec-Konz) zur Bilirubinbindung und Hk-Reduktion
  • Bei Gerinnungsstörung oder 2. Austauschtransfusion ev. Zusatz von FFP 10-20 ml/kg

Monitoring

  • Kind auf offener Einheit an EKG/SaO2-Monitor
  • Regelmässige BD-Kontrollen (alle 5-10 Minuten)
  • Überwachungsdaten und genaue Ein-/Ausfuhr der Austauschtransfusion auf Protokoll (1 Person nur dafür zuständig)

Durchführung

  • NVK-Einlage
  • Strikte Asepsis
  • Vorgehen portionenweise: 10 ml bei Gewicht > 1500g; 5 ml bei < 1500g
  • Geschwindigkeit: maximal 2-3 ml/kg/min, dh 2-3 Portionen / 5 Minuten
  • Gesamtdauer: ca 2 Stunden

 

Komplikationen

Viele, zum Teil schwere Komplikationen sind in der Literatur beschrieben. Jackson beschreibt in einer Übersicht von 106 Austauschtransfusionen eine Mortalität von 2%, wobei unter den vor-gängig kranken Kindern die Mortalität sogar 8% betrug (4). Als häufige Komplikationen werden genannt (1,4):

  • Sepsis
  • Thrombose, Embolie (Luft!)
  • Nekrotisierende Enterokolitis
  • Arterielle Hypotonie
  • Blutung, Thrombozytopenie
  • Elektrolytstörungen (Hypocalcämie, Hyponatriämie, Hyperkaliämie)
  • Hypoglykämie

Nachkontrolle

Alle Neugeborene mit Hyperbilirubinämie, die eine Autauschtransfusion nötig macht, sollen entwicklungsneurologisch nachkontrolliert werden


 

 

Quellen:

  1. Manual of neonatal care: Neonatal Hyperbilirubinemia. 1998, 4th Ed, 197-199
  2. Seidman D: Effect of publication of the „Practice parameter for the management of hyperbilirubinemia“ on treatment of neonatal jaundice. Acta Paediatr 2001,90,292-295 (Abstract)
  3. Gottstein R: Systematic review of intravenous immunglobulin in haemolytic disease of the newborn. Arch Dis Child Fetal Neonatal Ed 2003,88,F6-10 (Abstract)
  4. Jackson J: Adverse events associated with exchange transfusion in healty and ill newborns. Pediatrics 1997,99(5),E7 (Abstract)
  5. Schw. Neonatologiegruppe: Abklärung und Behandlung von ikterischen Neugeborenen in Gebärkliniken. SÄZ 1993,74(41)
  6. AAP: Management of hyperbilirubinemia in the healty term newborn. Pediatrics 1994,94,558-565
  7. CPS: Approach to the management of hyperbilirubinemia in term newborn infants. Ped Child Health 1999,4,161-164
  8. Volpe J: Bilirubin and brain injury. In Neurology of the newborn, 2001,4th Ed,521-546